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Ruben und die Weihnacht, Teil 2

Es ist die erste Probe, die im Speisesaal der Schule nach dem Unterricht für Ruben und seine Mitschüler beginnt. Es riecht noch nach Nudeln und Tomatensoße. Ein paar Schüler schieben die Tische beiseite, damit Platz für die kleinen Schauspieler frei wird.

Mit dabei ist der Pastor der kleinen Gemeinde. Er hat ein Auge darauf, dass alle Darstellungen der damaligen Zeit gut angepasst sind. Außerdem sorgt seine große Gestalt dafür, dass die Kinder bei der Sache bleiben und sich konzentrieren. Keiner möchte vor dem Herrn Pfarrer zu spät kommen, seinen Einsatz verpassen oder gar ungezogen sein.


Die Szene mit den Hirten ist an der Reihe. Sie sitzen bei Schafen in der Dunkelheit der Nacht und ein kleines Lagerfeuer, angedeutet durch eine breite Lampe, die zwischen dicken Ästen für ein wenig Helligkeit sorgt, scheint auf die Gesichter der drei Jungen. Der Engel erscheint ihnen und ein Mädchen tritt mit zitternden Händen ins Bild. Sie hat noch ein Blatt Papier mit ihrem Text in der Hand und liest ihn leise vor. „Mein Kind“, sagt der Pfarrer und erhebt sich von seinem Platz. „Du hast zwar nicht so viel Text, aber eine so wichtige Rolle“, sagt er zu dem Mädchen gewandt. Seine Stimme ist dunkel, kräftig und gleichzeitig sanft, fast wie Samt. Behütend und schützend. „Sei selbstbewusst. Sei stark, mein Kind. Du hast eine so freudige Botschaft, lass das deine Zuhörer auch spüren!“

Das Mädchen wird etwas lauter, lächelt bei ihren Sätzen und ihre zitternden Hände, die durch das Blatt Papier nur noch mehr zum Vorschein kamen, beruhigen sich langsam. Die Hirten beraten sich kurz, so wie es in ihren Texten steht. Nur Tom hängt immer wieder und treib damit die Lehrerin in die Verzweiflung: „Komm schon, Tom“, sagt sie und klatscht sich mit der Hand vor die Stirn. „Lerne doch bitte deinen Text!“ Mit viel Hilfe schleift er sich durch die Probe.

Der erste Teil ist geschafft. Rubens Gesichtsfarbe, die wieder vor lauter Aufregung in ein Tiefrot getaucht wurde, wird langsam wieder normal. Nur die Wangen sind noch etwas gerötet, als die letzten Worte an der Krippe von Ruben gesprochen werden.

Das Bild mit allen Beteiligten auf der Bühne mitsamt der noch etwas spärlichen Kulissen sieht schon sehr gut aus. Die Kinder haben ihren Einsätze nur selten nicht gleich parat gehabt, aber die Lehrerin und auch der Pfarrer sind schon sehr zufrieden. Nur wenige Anweisungen waren nötig, meistens ging es um die richtige Position der kleinen Schauspieler und um etwas Dramaturgie, denn ansonsten waren die Kinder schon gut vorbereitet. Schließlich saßen sie in den vergangenen Jahren am letzten Schultag in der Schule und am Heiligabend in die Kirche.

Ruben packt seine Trinkflasche in seinen Schulranzen, als die Stimme des Pfarrers erklingt. „Ruben heißt du also?“ Ruben dreht sich um und sieht, wie der Pfarrer auf seinem Stuhl sitzt und auf die Dialoge schaut. „Ja, Herr Pfarrer.“ Ruben zieht sich seine Jacke an und bindet seinen dicken Schal um den Hals, den seine Mutter ihn selbst gestrickt hatte.

„Weißt du eigentlich, was dein Name bedeutet?“

„Ruben? Nein“, sagt er etwas aufgeregt. Schließlich hat er den Pfarrer noch nie allein gesprochen.

„Ruben stammt aus der Bibel. Es ist ein hebräischer Name und er bedeutet ,Sehet, ein Sohn’.“ Der Pfarrer lächelt, erhebt sich, nimmt seinen dicken, schwarzen Mantel und geht hinaus.

Ruben lächelt. Er holt seine Mütze aus der Jackentasche heraus, zieht sie sich über beide Ohren und geht nach Hause.

Drei Tage später steht die nächste Probe auf dem Plan. Die meisten Kinder, außer Tom, haben sich die besprochenen Details gut gemerkt, auch Ruben. Im Anschluss an die diesmal kürzere Probe steht das Bemalen der Kulissen auf dem Plan. Mit großen Pinselstrichen werden die Pappfiguren zu Palmen, Türen, Ochsen und Eseln. So langsam wird es ernst.

Die Aufführung in der Schule wird unter den Kindern immer wie eine kleine Generalprobe gesehen. Und bei der läuft am letzten Schultag alles rund mit Ausnahme des Hirten Nummer eins, ihr wisst schon, Tom. Seine Mitschüler flüstern ihn seine Passagen zu, während er mit einem entgeisterten Blick im Publikum Hilfe zu suchen scheint.

Der Pfarrer nickt den Kindern nach der Aufführung zufrieden zu.

Die Eltern packen nach und nach die Kulissen in ihre Autos. Am nächsten Morgen sollen sie in der Kirche abgegeben und aufgebaut werden.

Heiligabend ist die Kirche immer voll. Mehrere hundert, fast Tausend Menschen kommen immer, um das Krippenspiel zu sehen.

Die Scheinwerfer werden gleich zusammen mit den Kulissen aufgebaut. Nur noch zwei Tage, dann ist der große Auftritt…



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